Blog · 05.07.2024 · Andreas Ingerfeld

Im Büro, mobil oder doch ganz anders? – Wie sich hybride Arbeitsmodelle wirksam gestalten lassen

Im Büro, mobil oder doch ganz anders? – Wie sich hybride Arbeitsmodelle wirksam gestalten lassen

Text: Amelie Görlich und Andreas Ingerfeld

Während der Corona-Pandemie sprangen viele Organisationen mit der unausweichlichen Freigabe für mobiles Arbeiten ins kalte Wasser – und machten dabei überraschend gute Erfahrungen. Was vorher undenkbar schien, funktionierte gut. Spätestens mit dem Ende des Lockdowns mischten sich dann die Betriebssysteme aus Anwesenheit und mobilem Arbeiten zum hybriden Arbeiten – mit allen Besonderheiten und Herausforderungen, die dieser Mischbetrieb mit sich bringt. Nach dem starken Mobilisierungstrend der Corona-Phase und manchen heiklen Erfahrungen mit hybriden Konstrukten ist die Sicht heute indifferent: Einige gehen den eingeschlagenen Weg weiter, andere rufen “zurück ins Büro”:

  • Die Befürworter*innen stützen sich auf die positiven Lernerfahrungen. Sie sind überzeugt, dass Flexibilität und Leistungsfähigkeit Hand in Hand gehen können.
  • Kritiker*innen argumentieren hingegen negative Konsequenzen, sehen die Gefahr von Leistungseinbußen, spüren einen Rückgang des Zusammengehörigkeitsgefühls und befürchten generell den Niedergang der Unternehmenskultur.

Wer von beiden hat nun recht? Unsere Beobachtung ist: Beide. Und in der Polarisierung keiner von beiden. Es gibt schlicht keine allgemeingültige Antwort. Weder in der Sache noch in der Einordnung für die unterschiedlichen Organisationen. Aber es gibt Auffälligkeiten: Gute und wirkungsorientierte Organisationen diskutieren heute nicht An- oder Abwesenheit, sondern Qualität von Begegnung und Zusammenarbeit. Ihnen gelingt es, durch individuelle Modellierung und Weiterentwicklung, hybrides Arbeiten als Vorteil für Belegschaft und Unternehmen zu gestalten.

In diesem Artikel beleuchten wir das Thema hybrides Arbeiten sowohl aus einer wissenschaftlichen als auch praktischen Perspektive und wollen Orientierung bei zwei zentralen Fragestellungen bieten:

  • Was sind Gelingensbedingungen?
  • Wie kann hybride Führung erfolgreich gestaltet werden?

Gleich vorweg: In diesem Artikel unterscheiden wir nicht mehr zwischen mobiler und hybrider Arbeit. Hybrides Arbeiten entsteht als notwendige Konsequenz im Mischbetrieb aus mobiler Arbeit und Arbeit in Präsenz. Natürlich gibt es – branchen- und kontextabhängig – Fälle, in denen entweder nur mobil oder nur in Präsenz gearbeitet wird. Auch stellen sich viele der hier beschriebenen Fragestellungen nur bedingt für Produktionsstrecken oder im klassischen Einzelhandel. Im Fokus unserer Betrachtung liegen also vor allem die Organisationen oder Organisationsteile, deren Arbeitsschwerpunkt bereits 2020 räumlich in Büros lag.

Die Wissenschaft hat festgestellt ...

Wissenschaftliche Arbeiten (z.B. Hofmann & Rief, 2023; Shift Collective, 2023) sehen klare Stärken hybrider Arbeitsmodelle, wie beispielsweise

  • Flexibilität und Autonomie in der Gestaltung von (Zusammen-)Arbeit,
  • bessere und zeitgemäße Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben,
  • gesteigerte Motivation, Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeiter*innen sowie
  • erhöhte individuelle Produktivität.

Gleichzeitig bringt hybrides Arbeiten als Mischform zahlreiche Herausforderungen mit sich. Eine Meta-Analyse von Gajendran et al. (2024) zeigt, dass es zwar zu einem höheren Autonomieempfinden führt, aber auch Isolation begünstigen kann. Beide Effekte beeinflussen Arbeitsleistung, Zufriedenheit, Burn-out und Arbeitsbeziehungen – und können sich dabei gegenseitig neutralisieren.

Als zentrale Herausforderung beschreiben Studien des Shift Collectives (2023) sowie von Hofmann und Rief im Rahmen des Projektes „Connected Work Innovation Hub – Die hybride Arbeitswelt in Sprints gestalten“ (2023) den fehlenden persönlichen Kontakt zu Führungskräften und Kolleg*innen. Langfristig besteht so das Risiko der sozialen Erosion: Weniger Präsenz und Begegnung können auf Dauer Beziehungen, Teamidentität, Bindung und Innovationsfähigkeit der Organisation negativ beeinflussen (Hofmann & Rief, 2023). Neben den fehlenden Gesprächs- und Begegnungsmöglichkeiten werden dafür folgende Gründe genannt:

  • Mangelnde Transparenz von Überlastungssituationen
  • Fehlende Unterstützung durch Kolleg*innen bei Überlastung
  • Fehlendes (systematisches) Feedback
  • Unzureichendes Onboarding und Integration neuer Kolleg*innen

Es überrascht daher nicht, dass persönliche Begegnung, Austausch und gemeinsame Zusammenarbeit vor Ort für viele Befragte die Hauptgründe sind, um (wieder mehr) ins Büro zu gehen.

Die Studien bestätigen bis hierhin die Argumente von Befürworter*innen und der Kritiker*innen gleichermaßen: Die unbestreitbaren positiven Aspekte werden durch die Besonderheiten und Risiken hybriden Arbeitens teils wieder kompensiert. Damit wird klar: Hybrides Arbeiten ist keine einfache Grundsatzentscheidung, sondern eine Gestaltungsaufgabe. Es erfordert neben einem guten Mix aus Arbeit in Präsenz und mobiler Arbeit die aktive Förderung von Begegnung und gezielte Zusammenarbeit vor Ort. Entscheidend ist nämlich nicht die Quantität der Anwesenheit, sondern die bewusste Qualität von Begegnung und Zusammenarbeit. Auf den Punkt gebracht: Acht Stunden allein im Büro statt im Home Office sind zwar Arbeiten in Präsenz. Sie bieten aber keine Qualität in der Begegnung. Die Lösung liegt also in der bewussten Gestaltung von Formaten, bei denen Begegnung im Vordergrund steht:

  • Neue informelle Gesprächsmöglichkeiten
  • Co-kreative Formate für Kreativitäts- und Innovationsprozesse vor Ort
  • Systematische Feedbackformate – individuell und in Teams (z.B. Retrospektiven, Peer-Feedback)
  • Entwicklungsgespräche, Onboardings und soziale Events vor Ort

Entsprechend positiv ist dann auch das das Bild zur generellen Führungsleistung in der hybriden Arbeitswelt (Hofmann & Rief, 2023): Die befragten Mitarbeiter*innen nehmen den Kontakt, die erlebte Sichtbarkeit sowie die Einbindung durch die Führungskraft überwiegend positiv wahr. Die Mehrheit gibt an, dass ihre Beziehung zur Führungskraft durch Vertrauen und Handlungsspielraum geprägt ist. Die Beispiele zeigen: Führungskräfte sind angesichts von mehr Autonomie und Flexibilität mehr denn je gefordert, Sinn und Orientierung zu vermitteln, Verantwortung gezielt entlang von Stärken an die Teammitglieder abzugeben und deren Selbstverantwortung zu fördern sowie Raum für Austausch, Begegnung und Lernen zu schaffen (u.a. Hofmann, 2022).

Unsere Beobachtungen aus der Praxis

Die Organisationen, die bereits jetzt das Beste aus beiden Betriebssystemen kombinieren, praktizieren neue, evolutionär weiterentwickelte Zusammenarbeitsmodelle. Ihnen gemein sind klare Grundlagen:

  • Klare Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Effiziente Entscheidungsprozesse
  • Passende Meeting-Strukturen für Informationsfluss und effektive Zusammenarbeit
  • Qualitative Begegnung und Vertrauen

Dabei überrascht die Arbeitnehmer*innenseite manche*n Fürsprecher*in von mehr Steuerung und Kontrolle durch ihre differenzierte, pragmatische Sicht. Viele wollen das gewonnene Maß an Flexibilität und Autonomie erhalten; gleichzeitig besteht das klare Bedürfnis nach organisationaler Zugehörigkeit und Verbundenheit. Interessant dabei: Der Wunsch nach Flexibilität besteht generationsübergreifend, auch wenn die Gründe für mobiles Arbeiten bzw. Arbeiten in Präsenz variieren (Shift Collective, 2023). Flexibilität und Verbundenheit stehen also nicht im Widerspruch zueinander, sondern bilden bestenfalls ein konstruktives Gleichgewicht. Diese Balance entsteht dort, wo

  • Partizipation in der Gestaltung des hybriden Arbeitsmodells gelebt,
  • ein gemeinsamer Lern- und Entwicklungsprozess gestaltet und
  • kontinuierlicher Austausch im Sinne gemeinsamen Lernens praktiziert wird.

In vielen Unternehmen hat sich so – schon diesseits aller Vorgaben und Regeln – längst eine gesunde Logik von (physischer) An- und Abwesenheit entwickelt. Das Büro und dessen Gestaltung als Erlebensraum spielt eine wichtige Rolle: Wenn Präsenz als individuell lohnend empfunden wird, ist das Büro Ort der Begegnung und Innovationsstätte. Moderne Ausstattung, gute technische Infrastruktur und Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten sind wichtige Rahmenbedingungen.

Freiwilligkeit, Vereinbarungen und Gestaltungsfragen rücken in den Fokus und wirken stärker als Zwang und Verordnungen. Es stellt sich die Frage: Welche Qualitäten müssen Organisation mitdenken, wenn sie statt „Push“ einen „Pull“ ins Büro bewirken wollen?

Gelingensbedingungen für die (Weiter-)Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle

Fakt ist: Je größer die Organisation, desto wichtiger ist auch ein klarer Gestaltungsrahmen für die Umsetzung hybrider Arbeit. Er schafft Sicherheit und bietet Orientierung. Gleichzeitig zeigt der Blick auf unterschiedliche Arbeitsweisen, Anforderungen und Bedürfnisse: Ein One-Size-Fits-All-Ansatz funktioniert in den wenigsten Organisationen. Vielmehr gilt es – im vorgegebenen Rahmen – individuell passende Vereinbarungen für hybrides Arbeiten in den Teams und Abteilungen auszuhandeln zu testen. Und vor allem: zuzulassen.

Sowohl die Studienlage als auch unsere eigenen Erfahrungen zeigen, dass Partizipation und Austausch als leitende Prinzipien zu einer erfolgreichen Entwicklung mehr beitragen als radikale oder polarisierende Regelungen: Wenn Mitarbeiter*innen in den Entwicklungsprozess des hybriden Arbeitsmodells eingebunden werden, beeinflusst dies die Akzeptanz und den Erfolg des Modells maßgeblich. Eine vom Top-Management verordnete Entscheidung ohne Dialog und Beteiligung der Mitarbeiter*innen wird weitgehend negativ bewertet, wie auch der Blick auf die anhaltende „Zurück-ins-Büro“-Debatte zeigt.

Hybrides Arbeiten als ganzheitliche Transformation

Das Funktionieren hybrider Arbeitsmodelle entscheidet sich weit jenseits der formellen Frage von An- und Abwesenheit. Vielmehr geht es um eine deutliche Weiterentwicklung und Transformation in allen Quadranten der Gestaltung.

Voraussetzung ist eine Bereitschaft zur Weiterentwicklung von Strukturen und Prozessen. Neben der formalen Entwicklung des hybriden Arbeitsmodells sind beispielsweise folgende Veränderungen erforderlich (bzw. sollten zumindest geprüft werden):

  • Bereitstellung geeigneter technischer Infrastruktur für mobiles bzw. hybrides Arbeiten
  • Anpassung von Leistungsbewertungssystemen an hybride Arbeitsformen
  • Gestaltung von Büroräumen, die sowohl Zusammenarbeit als auch konzentriertes Arbeiten fördern

Auf kultureller Ebene geht es u.a. darum,

  • Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen sowie zwischen den Mitarbeiter*innen zu fördern
  • Begegnung, Zusammenhalt und Engagement trotz physischer Distanz zu sichern
  • Feedback als Grundlage für kontinuierlichen Weiterentwicklung zu verankern

Darüber hinaus ist jedes Mitglied der Organisation gefragt, sich auf Ebene der individuellen Kompetenzen weiterzuentwickeln und z.B.

  • Ergebnisorientierung und Entscheidungsfähigkeit zu stärken
  • Kommunikationsfähigkeiten in virtuellen Umgebungen zu verbessern
  • Effektive Selbststeuerungstechniken zu entwickeln und gesunde Arbeitsroutinen zu etablieren

Nicht zuletzt setzt hybrides Arbeiten auch Veränderungen auf Haltungsebene voraus, wie z.B. mit Blick auf

  • Flexibilität und Offenheit für Veränderung
  • Entwicklungsbereitschaft und Experimentierfreude
  • Eigenverantwortung und Selbstführung

Was bedeutet das für hybride Führung?

Wie oben angeführt, ist ein klares Bewusstsein für die Bedeutung persönlicher Begegnungen unerlässlich. Alle sind dabei gefordert, Verantwortung für eine wirkungsvolle Gestaltung von Begegnung und Zusammenarbeit zu übernehmen und Wissen und Informationen transparent zu teilen. Die Aufgabe von Führung verändert sich dabei von der historischen Kontroll- und Anleitungsfunktion zu Rahmensetzung und Ermächtigung der Mitarbeiter*innen. Hybride Führung erfordert – stärker denn je – eine offene und klare Grundhaltung und Weiterentwicklung der Führungskräfte entlang folgender Bereiche:

  • Distanzüberbrückung: Vertrauen und Zusammenhalt im Team aufbauen sowie Sinn und Orientierung vermitteln
  • Delegationsfähigkeit: Mitarbeiter*innen in Entscheidungen einbinden, Verantwortung übergeben und Eigeninitiative sowie Selbststeuerung fördern
  • Kommunikationsfähigkeit: Transparenz und Orientierung schaffen und Informationsaustausch sowie Wissenstransfer gewährleisten
  • Psychologische Sicherheit: Bewusstsein und Offenheit für unterschiedliche Bedürfnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Perspektiven vorleben und eine angstfreie Arbeitsumgebung schaffen
  • Experimentierfreude: Experimente ermutigen und Raum für Reflexion und Lernen schaffen

Hybrides Arbeiten setzt damit eine evolutionäre Weiterentwicklung des Führungsmodells fort, die bereits rund um die Flexibilisierung und erhöhte Beweglichkeit von Organisationen (aka agiles Arbeiten) manifest wurde. Evolutionär deshalb, weil es – zumindest in den meisten Organisationen – nicht um den Wegfall klassischer Führungsfunktionen, sondern vielmehr um deren Ergänzung und Weiterentwicklung geht. Oft geht diese Entwicklung – auch in größeren Organisationen – einher mit einer Hinterfragung klassischer divisionaler Rollenbeschreibungen bis hin zu neuen rollenbasierten Führungsformen. Dazu in einem anderen Artikel mehr.

Fazit

Der aktuell zu beobachtende Reflex, zum alten Modell der überwiegenden Arbeit in Präsenz zurückzukehren, mag nachvollziehbar sein, springt aber (zu) kurz. Reine Präsenz ist nicht die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. Es geht vielmehr um die Qualität von Begegnung. Gute Modelle bieten hier großes Potenzial für Motivation, Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter*innen – und für unternehmerischen Erfolg. Voraussetzung dafür ist eine Weiterentwicklung der Organisation auf allen Ebenen, von der Gestaltung des Büros als Begegnungsstätte bis hin zur Rolle von Führung. Wirksame Organisationen arbeiten daran, den persönlichen Austausch zu fördern, Isolation vorzubeugen und Verantwortungsübernahme sowie Selbststeuerung der Mitarbeiter*innen zu stärken. Kontinuierliche Reflexion und Lernen sind dabei genauso entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung und Weiterentwicklung des hybriden Arbeitsmodells wie klare Rahmenbedingungen und Gestaltungsräume.


Literatur

Gajendran, R. S., Ponnapalli, A. R., Wang, C., & Javalagi, A. A. (2024). A dual pathway model of remote work intensity: A meta‐analysis of its simultaneous positive and negative effects. Personnel Psychology.

Hofmann, J. (2022). Führung in der Hybridität. Connected Work Innovation Hub. Erkenntnisse, Ideen und Konzepte für die erfolgreiche Gestaltung einer hybriden Arbeitswelt. Stuttgart: Fraunhofer IAO, 53-61.

Hofmann, J., & Rief, S. (2023). Performance hybrider Arbeit. Connected Work Innovation Hub.

Shift Collective (2023). The Future was Hybrid –Das Ende von Hybrid Work?