Blog · 28.05.2020 · Julia Straub

Die Krise als Brennglas und Beschleuniger

Die Krise als Brennglas und Beschleuniger

Seit Ende März bieten wir uns Kunden einen virtuellen Austauschraum, um Beobachtungen, Fragen und Herausforderungen in der Corona-Krise mit Menschen aus anderen Unternehmen zu diskutieren. Schnell ist eine Kern-Gruppe entstanden, die sich regelmäßig austauscht und kollegial unterstützt. Übergreifende Erkenntnisse aus diesem Sparring teilen wir hier, um sie für Andere nutzbar zu machen.

Als Deutschland sich Mitte März quasi kollektiv ins Home-Office zurückziehen sollte, war schnell klar, dass das für viele Unternehmen gar nicht so einfach werden würde. Denn abgesehen von technischen Hürden wie Laptop- und Serverkapazitäten oder IT-Restriktionen bedeutet Home Office-Arbeit auch und vor allem: Zusammenarbeit auf Distanz. Jede*r für sich, in einem anderen Umfeld und mit anderen Rahmenbedingungen. Und so hörten wir in vielen Kundengespräche sehr ähnliche Fragen und Überlegungen: Wie organisieren wir uns jetzt am besten im Team? Welche Routinen sind sinnvoll und wie viel Austausch ist hilfreich? Wie gehe ich als Führungskraft mit spürbaren Ängsten und Zukunftssorgen in meinem Umfeld um? Was machen wir mit Kolleg*innen, die sich zu Hause nicht konzentrieren können? Und was mit denen, die nach wie vor zu ihrem Arbeitsplatz müssen, weil sie nur dort Ihre Arbeit machen können?

Unser Eindruck war: Viele Menschen treiben ähnliche Fragen um und gleichzeitig besteht das Potenzial voneinander zu lernen, weil die einen hier einen Schritt weiter sind und die anderen dort. Also haben wir unseren Kunden einen kostenlosen virtuellen Austauschraum angeboten. Jeweils eine Stunde am Freitagnachmittag. Wer sich einwählt, wählt sich ein. Es gelten die Chatham House Rules: Die geteilten Informationen dürfen von allen Teilnehmenden frei verwendet werden – unter der Bedingung, dass weder die Identität noch die Zugehörigkeit der Urheber preisgegeben werden.

Schnell ist eine Kern-Gruppe entstanden, die sich regelmäßig austauscht und kollegial unterstützt. Nach einem Check-in sammeln wir Fragen, repriorisieren gemeinsam das Backlog an Diskussionsthemen und steigen dann in den moderierten Austausch ein.

Eine wesentliche Erkenntnis: Die meisten Herausforderungen, mit denen Unternehmen, Teams, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen sich in der Corona-Krise konfrontiert sehen, sind nicht neu. Aber sie gewinnen an Bedeutung, Dynamik und wirken verstärkt. Wie unter einem Brennglas werden Muster spürbar.

So fällt zum Beispiel die Zusammenarbeit auf Distanz vor allem denjenigen schwer, die bislang großen Wert auf Präsenzkultur gelegt haben und ihre Routinen und Arbeitsweisen darauf ausgerichtet haben. Das wird an unterschiedlichen Ecken sichtbar. So finden es Menschen, die bislang in stark präsenzorientierten Umfeldern tätig waren, oft ungewohnt, sich über Telefon und Videokonferenz informell auszutauschen. Andere sind unsicher, ob sie die Kolleg*innen bei Fragen einfach anrufen oder lieber Termine vereinbaren sollen. Manche vermissen den Überblick, woran die Anderen arbeiten und welche Fortschritte das Team erzielt. So entstehen Unsicherheit und das Gefühl, alleine auf der Eisscholle zu stehen.

Eine Konsequenz ist deshalb: Der Schritt in die virtuelle Zusammenarbeit erfordert ein bewusstes Neu-Verhandeln der Routinen, Vereinbarungen und Arbeitsweisen eines Teams. Vieles muss explizit gemacht werden, was bislang vermeintlich klar war. Das gilt für die eigene Mittagspause genauso wie für Bedürfnisse und Stimmungslagen.

Eine zweite übergeordnete Erkenntnis aus dem Austausch ist, dass in der Krise plötzlich Vieles geht, was vorher undenkbar war. Videokonferenzen mit dem Vorstand statt Präsenztermine, Entscheidungen durch Kompetenzträger statt durch Funktionsträger, das gesprochene Wort statt des sorgsam verfassten Protokolls. Und auch Sätze wie: „Das ist gut genug so. Damit versuchen wir es.“ Prozesse werden vereinfacht, sie werden reduziert auf das Wesentliche. Überhaupt sagen viele: Der Fokus ist jetzt klar.

Die Corona-Krise wirkt als Beschleuniger lange geführter Debatten – über den Sinn und Zweck von Digitalisierung, Home Office, Vertrauen, Eigenverantwortung, Führung oder agiler Arbeitsweisen. In der Krise werden Themen auf dem kurzen Weg entschieden. Und so stellen sich viele zurecht die Frage: Was davon wird wohl bleiben? Wie erhalten wir das Bewahrenswerte und nutzen diese Krise als Beschleuniger – als Startrampe für unsere Weiterentwicklung?

Diese Frage wird im Fokus unseres weiteren Austauschs stehen. Von anfänglich sehr operativen Herausforderungen bewegen wir uns nun zu der Frage nach Learnings und Chancen dieser Krise. Gerade jetzt, wo in vielen Unternehmen die Menschen schrittweise an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, ist es sinnvoll, inne zu halten, die individuellen Erlebnisse der vergangenen Wochen zu reflektieren und von dort gemeinsam nach vorne zu schauen. Auf diesen Schritt freuen wir uns sehr.

Wie habt ihr die vergangenen Wochen erlebt? Was möchtet ihr aus dieser Zeit bewahren? Welche Chancen nutzen? Wie freuen uns auf Feedback und Austausch!


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