Blog · 16.11.2023 · Sören Krüger

Agile Missions Impossible – Das ZAM4all der KfW

Agile Missions Impossible – Das ZAM4all der KfW

49 Geschichten über das Möglichmachen von Agilität – 49 Agile Missions Impossible von 57 Autor*innen. Gemeinsam mit Markus Röhle von der KfW berichtet Sören in dieser spannenden Agile Short Story, wie ein interdisziplinäres Team mitten in der Hochzeit der Corona-Pandemie ein neues Zusammenarbeitsmodell für die KfW entwickelt und in der Organisation verankert hat.

Dieser Buchbeitrag von Sören Krüger und Markus Röhle ist Teil des Buches Agile Missions Impossible – 49 Geschichten über das Möglichmachen von Agilität (Agile Short Stories) von Miriam Sasse (Hrsg.). 57 Autorinnen und Autoren berichten von ihren agilen Missionen aus ihrem Arbeitsalltag, die auf dem Weg zum Ziel unmöglich erschienen. 49 Missionen mit atemberaubender Spannung und unerwarteten Wendepunkten. Jede Mission wird aus psychologischer, soziologischer oder anderer fachlicher Perspektive genauer beleuchtet. Der Kauf des Buches lohnt sich dabei sogar doppelt: Der Erlös geht an einen guten Zweck.

Stellt Euch vor, ihr müsstet mit Euch bislang unbekannten Menschen ein Werkzeug entwickeln. Und zwar ein Werkzeug, das von einer Ärztin, einem Erzieher, einer Bauarbeiterin und einem Kassierer in einer Zoofachhandlung gleichermaßen genutzt werden kann …

So oder so ähnlich muss man sich die Agile Mission Impossible vorstellen, die Markus Röhle und seine Kolleg*innen in der KfW-Bankengruppe angetreten sind. Doch lasst uns im Jahr 2021 starten, mitten in der Hochzeit der Corona-Pandemie. Hier beginnt die Agile Mission Impossible des ZAM4all:

Erfolgreiche agile Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen – was fehlt, ist die Klammer

Die KfW hat in den vergangenen Jahren ihre agile Transformation mit viel Energie vorangetrieben. An vielen Stellen in der Organisation starteten Projekte und Initiativen, die mit agilen Methoden experimentierten und neue Strukturen verankerten. Dabei kam viel in Bewegung, allerdings fehlte die gemeinsame Klammer. Hier kommt Markus Röhle ins Spiel. Markus war Mitglied des KfW-weiten interdisziplinären »Transformationsteam Agile KfW« – kurz TTA. Das TTA sollte die unterschiedlichen agilen Initiativen innerhalb der KfW enger miteinander vernetzen, um sicherzustellen, dass alle Einzelaktivitäten ein gemeinsames Ziel – die agile, anpassungsfähige KfW der Zukunft – unterstützen.

Eine Beobachtung, die Markus und seine Kolleg*innen früh machten, betraf die bereichsübergreifende Zusammenarbeit: Diese war teilweise herausfordernd, weil die Arbeitsweisen, -prozesse und -strukturen in verschiedenen Bereichen der KfW unterschiedlich gestaltet waren: Während in manchen Umfeldern bereits entlang agiler Prinzipien und Frameworks gearbeitet wurde, hatten andere die Reise der agilen Transformation gerade erst begonnen. Dabei kam es immer wieder zu Reibung, weil die Frage »Wie wollen wir eigentlich zusammenarbeiten und was leitet uns dabei?« unterschiedlich beantwortet wurde.

Komplexe Probleme erfordern eine neue Form der Zusammenarbeit

Gleichzeitig wurde genau die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in der KfW immer wichtiger: »Während Corona mussten wir von einem auf den anderen Tag neue Wege gehen. Wir hatten schlicht keine Zeit für zig Abstimmungsschleifen, individuelles Vorgehen und Risikovermeidung. Unterschiedliche Teams mussten unter enormem Zeitdruck auf ein Ziel hinarbeiten: die schnelle Bereitstellung von Wirtschaftshilfen. Und es funktionierte!«

Diese Erfahrung zeigte: Der Weg zu einer agilen Förderbank führt über eine veränderte Form der Zusammenarbeit. Die Art und Weise, wie die Menschen in der KfW zusammenarbeiten, entscheidet darüber, wie gut die KfW auf neue Anforderungen reagieren kann, wie schnell sie neue Produkte mit spürbarem Mehrwert entwickelt und wie wirksam ihre Förderung ist. »Es ging darum, basierend auf den Corona-Erfahrungen und den vielen guten Ansätzen in einzelnen Bereichen ein Zusammenarbeitsmodell für die gesamte Bank zu entwickeln – die Idee vom ZAM4all war geboren!«, erinnert sich Markus.

Unterstützer*innen verzweifelt gesucht

Gemeinsam mit seinem TTA-Kollegen Christian machte sich Markus auf die Suche nach Unterstützer*innen, die Lust hatten, das ZAM4all gemeinsam zu entwickeln. Und diese Suche gestaltete sich schwieriger als gedacht. Das hatte zwei Gründe:

Erstens fiel es vor allem den Bereichen, die ihre Zusammenarbeit bereits erfolgreich weiterentwickelt hatten, schwer, den Nutzen eines neuen Zusammenarbeitsmodells zu erkennen: »Wir haben so viel Aufwand in unsere Zusammenarbeit gesteckt und stehen in unserem Bereich richtig gut da – wieso müssen wir dann jetzt nochmal alles über den Haufen werfen?«, war eine Frage, die Markus und seinen Kolleg*innen in den ersten Vorgesprächen immer wieder begegnete.

Zweitens lief die KfW zu diesem Zeitpunkt auf absoluten Hochtouren. In der Corona-Pandemie mussten Hilfsprogramme schnell, pragmatisch und gleichzeitig sicher auf- und umgesetzt werden. »Ich brauche meine Leute jetzt gerade an anderer Stelle – mit der Zusammenarbeit können wir uns beschäftigen, wenn wir die akuten Themen hinter uns haben«, war eine Rückmeldung, die Markus öfter hörte.

Der Stakeholderkreis setzt den Rahmen

Beide Rückmeldungen nutzte das TTA, um gemeinsam mit zwei KfW-Vorständen die Idee eines bankweiten Zusammenarbeitsmodells zu schärfen: Bestehendes sollte aufgegriffen und genutzt werden. Der Entwicklungsprozess für das ZAM4all sollte schlank und selbst Prototyp für eine agile Zusammenarbeit sein. Er sollte zeigen, dass durch die Arbeit im hierarchie- und bereichsübergreifenden Team innovativere Ergebnisse mit höherer Qualität, geringerem Zeitaufwand und mehr Freude und Wirkung erzielt werden können.

Rückenwind für die Idee gab ein erster Workshop zur Auftragsschärfung mit dem Stakeholderkreis, der aus allen Bereichsleiter*innen der KfW-Muttergesellschaft und den Geschäftsführer*innen der KfW-Tochtergesellschaften bestand. Er wurde ins Leben gerufen, um die Perspektive des Top-Managements von Beginn an in die Entwicklung des ZAM4all mit einzubeziehen. Was Mut machte, war die Tatsache, dass der Bedarf an einer Weiterentwicklung der Zusammenarbeit auch in dieser Runde gesehen wurde. Es wurde aber auch eine zentrale Anforderung deutlich: Es galt, die unterschiedlichen Startpunkte und Bedarfe an agile Zusammenarbeit zu berücksichtigen. »Wir brauchen ein Modell, das wirklich alle nutzen können«, formulierte ein Bereichsleiter die Anforderungen. Das Ergebnis des Stakeholder-Workshops war eine Definition of Done, die Abnahmekriterien für das spätere ZAM4all formulierte, ohne dabei das konkrete Ergebnis vorzugeben.

Das Realisierungsteam startet

Mit diesem Rückhalt startete im Mai 2021 ein neunköpfiges »Realisierungsteam ZAM4all« seine Mission. Vom Produktmanager bis zur Teamleiterin, vom Abteilungsleiter bis zur Scrum-Masterin kamen Menschen mit unterschiedlichen Rollen und Vorerfahrungen zusammen. Sie alle vereinte, dass sie sich freiwillig für die Arbeit im Realisierungsteam gemeldet hatten und motiviert waren, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit in der KfW zu verbessern.

Das pandemiebedingte digitale Setting stellte die Gruppe vor einige Herausforderungen: »Bei der KfW waren wir es gewohnt, herausfordernde Themen im direkten Kontakt vor Ort zu klären. Das virtuelle Setting wirkte zu Beginn merkwürdig distanziert«, erinnert sich Markus. Grund genug, um zu Beginn viel Zeit ins Kennenlernen zu investieren und dabei auch die individuellen Bilder über die wesentliche Frage abzugleichen: Was bedeutet gute Zusammenarbeit für uns? »Bei diesem Abgleich zeigte sich, dass die Beobachtung, die Anlass für die Entwicklung des ZAM4all war, auch auf die Gruppe zutraf: Wir hatten enorm unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Symptome wir eigentlich heilen wollen, auf welchen Ursachen diese beruhen und was die passende Medizin dafür ist.«

In fünf Entwicklungssprints zum ZAM4all

In insgesamt fünf zweitägigen digitalen Sprints entwickelte das Team ein Zusammenarbeitsmodell, das an den gemeinsam beobachteten Schmerzpunkten ansetzte und den Blick auf eine wünschenswerte Zusammenarbeit lenkte: Wie wollen wir zukünftig bereichsübergreifend zusammenarbeiten, um unserem Auftrag als leistungsstarke Förder- und Transformationsbank bestmöglich gerecht zu werden? In mehreren Iterationen erarbeitete das Realisierungsteam ein Set aus sechs Prinzipien, die jeweils mit Verhaltensankern unterlegt sind. Diese Verhaltensanker beschreiben beobachtbares Verhalten, an dem man sehen kann, dass die Prinzipien im Alltag gelebt werden.

ZAM4all: Sechs Prinzipien der Zusammenarbeit

Feedbackrunden als erste Bewährungsproben

Ein wesentliches Prinzip des Entwicklungsprozesses war es, schnelles Feedback zu ersten Überlegungen einzuholen – schließlich sollte das ZAM4all bankweite Akzeptanz und Anwendung erfahren. Und so wurde nach den ersten Schleifen im Realisierungsteam eine Runde »wohlwollender Feedback-Geber*innen« aus unterschiedlichen KfW-Umfeldern eingeladen. Sie sollten ein erstes Prinzipienset feedbacken. Die Rückmeldungen brachten das Team ordentlich ins Schwitzen. »Bei der KfW ticken wir oft so, dass wir von Beginn an Perfektion erwarten – und so fiel auch das Feedback aus: ‚Das soll es jetzt gewesen sein?‘, ‚So kann man das doch nicht formulieren?‘, ‚Find ich gut, aber…‘, … Manche hängten sich an einzelnen Formulierungen auf, anderen waren die Prinzipien zu abstrakt«, fasst Markus die Anmerkungen der Kolleg*innen zusammen. »Was uns Mut machte, war die Tatsache, dass der Bedarf an einem Zusammenarbeitsmodell von wirklich allen gesehen wurde. Deswegen war das Feedback hilfreich, weil es unseren Blick geschärft und verdeutlicht hat: Wir bohren hier ein wirklich dickes Brett. Wir hatten bereits zu diesem Zeitpunkt extrem viel über unsere Organisation gelernt – aber auch darüber, wie jede*r von uns mit Feedback umgeht.«

Zieleinlauf mit Hindernissen

Im Herbst 2021 folgte die erste Reifeprüfung: In einem Präsenz-Workshop sollten die Stakeholder des ZAM4all die Ergebnisse abnehmen und gleich auf die Zusammenarbeit im Führungskreis anwenden. Das Realisierungsteam plante den Workshop, produzierte Plakate mit den Prinzipien und ihren Verhaltensankern und freute sich auf die erste Face-to-Face-Befassung mit dem ZAM4all. Und erneut machte dieser Begegnung Corona einen Strich durch die Rechnung: Während alle Vorbereitungen auf den Workshop liefen, tagte der KfW-Krisenstab. Das Ergebnis: Die Corona-Zahlen steigen erneut, Workshops vor Ort sind nicht mehr zulässig. Die Folge: Kurzes Abklatschen des bereits angereisten Moderator*innen-Duos von covolution am Frankfurter Hauptbahnhof sowie eine abendliche Konzeptions-Session, um das Face-to-Face-Format in ein digitales Design zu überführen. Eine nächtliche Conceptboard-Schleife später fand der Stakeholder-Workshop dann tatsächlich statt, im digitalen Raum.

Der Workshop selbst lief rund: Die Stakeholder verabschiedeten das ZAM4all als Rahmen für die Zusammenarbeit in der KfW und beschlossen unter anderem, ihre Zusammenarbeit als Bereichsleiter*innen und Geschäftsführer*innen regelmäßig entlang des ZAM4all zu reflektieren. Pünktlich zum Jahresende wurde das ZAM4all dann im KfW-Intranet veröffentlicht und damit allen Mitarbeiter*innen zugänglich.

Verankerung des ZAM4all in der Organisation

Für den Rollout erarbeitete das Realisierungsteam ein Verankerungskonzept. Zentrale Formate waren neben der kommunikativen Begleitung über alle bestehenden internen Kanäle der KfW zwei Workshop-Formate: Erstens ZAM4all-Meetups, die Menschen aus unterschiedlichen Bereichen in den Austausch zum ZAM4all bringen, und zweitens ZAM4all-Gruppenworkshops, die die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit auf Team- und Abteilungsebene, im Führungsteam oder in einem Projekt ermöglichen. Innerhalb der KfW hat sich mittlerweile außerdem eine Gruppe Freiwilliger gefunden, die die Verankerung des ZAM4all über die initiale Rollout-Phase hinaus begleitet. Und genauso wichtig: Das ZAM4all ist nun Bestandteil des HR-Instrumentariums und wird so auf unterschiedlichen Ebenen immer wieder erlebbar.

Jedes Prinzip des ZAM4all wird durch Verhaltensanker konkretisiert.

Realitätscheck: Das ZAM4all lebt an vielen Stellen weiter

Wir machen einen Zeitsprung ins Jahr 2023. Markus beißt genüsslich in einen ZAM4all-Müsliriegel. Diesen gibt es inzwischen in jedem Workshop-Format als Stärkung. Mittlerweile ist einiges rund um das ZAM4all passiert. »Wir haben das ZAM4all als Anker genutzt, um die Zusammenarbeit entlang von ganz konkreten Fällen im Haus weiterzuentwickeln«, berichtet Markus. Das ZAM4all diente dabei immer als Rahmen für das »WIE?« der Zusammenarbeit. Was das konkret bedeutet? An vielen Stellen in der KfW arbeiten Menschen mal bewusster, mal unbewusster mit den sechs Prinzipien und den Verhaltensankern wirkungsvoller Zusammenarbeit. Die Anwendung des ZAM4all auf ganz unterschiedlichen Ebenen funktioniert:

  • Eine Vielzahl von Führungs- und Projektteams nutzt das ZAM4all, um die eigene Zusammenarbeit entlang der Prinzipien immer wieder zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
  • Es findet ein verstärkter Austausch über gemeinsame Ziele statt – zum Beispiel im Rahmen der Priorisierung des bankweiten IT-Change-Backlogs.
  • Bereichsübergreifende Zusammenarbeit findet auch abseits der definierten Prozesse statt – zum Beispiel im Rahmen komplexer Beschaffungen, an denen neben den Fachbereichen auch Einkauf und Rechtsabteilung beteiligt sind.

In vielen Fällen führt die Nutzung des ZAM4all dazu, dass durch eine andere Zusammenarbeit schnellere und bessere Ergebnisse erzielt werden können und, dass der Spaß an der Zusammenarbeit einen echten emotionalen Mehrwert schafft. Aber: Die Verankerung eines Zusammenarbeitsmodells passiert nicht von alleine; schließlich geht es mitunter um die Änderung von über Jahre etablierten Verhaltensweisen.

Resümee: Die Arbeit an der Zusammenarbeit ist Alltag geworden

Markus Resümee nach fast zwei Jahren ZAM4all: »Was mich immer wieder begeistert, ist, wie sich das ZAM4all verselbstständigt hat, ohne dass wir es noch aktiv treiben müssen. Immer wieder begegne ich Menschen innerhalb der KfW, die mir berichten, dass sie das ZAM4all als Grundlage genutzt haben, um gemeinsam mit anderen in ihrem Umfeld an der Zusammenarbeit zu werkeln.« Und so ist das ZAM4all ein Werkzeug für Risiko-Controller*innen, Volkswirt*innen, Bereichsleiter*innen und Scrum-Team-Mitglieder. Und wir sind uns sicher: Auch Ärzt*innen, Erzieher*innen, Bauarbeiter*innen und Kassierer*innen könnten die Prinzipien entlang ihres Arbeitsalltages mit Leben füllen und würden davon profitieren.


Sören Krüger, covolution GmbH

Zwillings-Papa, Hobby-Barista und Organisationsberater: Sören Krüger begleitet als Transformationsexperte bei covolution Unternehmen in ihrer Weiterentwicklung. covolution bietet Unterstützung in drei Feldern: strategische Ausrichtung, Organisationsentwicklung und wirksame Zusammenarbeit. Sören studierte Kommunikations- und Sozialwissenschaften und verfügt über Aus- und Weiterbildungen u. a. in Systemischer Organisationsberatung und Facilitating Change & Agile Organisationsentwicklung.

Markus Röhle, KfW Bankengruppe

Markus leitete bis 2018 das Konsortialfinanzierungs-Team der Inlandsförderung. Seit fünf Jahren widmet er sich in unterschiedlichen Rollen leidenschaftlich der Modernisierung der KfW, u.a. von 2022 bis 2023 im bankweit agierenden Transformationsteam agile KfW. Auslöser waren viele gute Erfahrungen, mit Arbeit an der Zusammenarbeit schneller bessere Ergebnisse zu erzielen – bei mehr Spaß an der Arbeit für Führungskräfte und Mitarbeitende! Erholung davon findet er mit seinen Hunden im Wald, beim Kochen oder in seinem Garten.
www.kfw.de


Das Buch zum Kapitel und viele weitere inspirierende Missions Impossible findet ihr hier.