„Wir transformieren uns bereits durch den Prozess“
„BReady“ – dieses Kürzel spricht sich „be ready“ und steht für den Transformationsprozess des Rechtsbereichs der KfW (bezeichnet als BR). 2022 gestartet setzt BReady auf Partizipation, Co-Kreation, Freiwilligkeit und Experimentierlust. Die Idee: Wenn möglichst viele Mitarbeiter*innen des Bereichs ihre Perspektiven einbringen, dann können sie die Zukunft aktiv gestalten, anstatt sie nur „passieren zu lassen“. Mit Erfolg: BReady wurde als bestes Inhouse-Projekt beim „Best of Legal Award 2023“ der WirtschaftsWoche ausgezeichnet. Im Gespräch mit Sören blickt Dr. Karsten Hardraht, Bereichsleiter und Initiator des Prozesses, auf eine beispielgebende Entwicklungsgeschichte zurück.
Sören Krüger: Im Sommer 2022 hast Du mit deinem Führungsteam den Prozess der Bereichsentwicklung angestoßen. Was waren die Auslöser?
Dr. Karsten Hardraht: Im Rahmen einer Führungskräfteentwicklung hatten wir uns Anfang 2022 intensiv mit dem Thema „Digitalisierung“ und mit der Frage, wie wir diese für unseren Bereich nutzen können, auseinandergesetzt. Je länger wir darüber diskutiert haben, desto deutlicher wurde uns: Es geht nicht allein um die Digitalisierung, sondern darum, wie wir als Bereich zukunftsfähig bleiben. Wir hatten es, wenn man es so sagen will, im Rechtsbereich eigentlich ganz schön – das meint, dass wir keinen unmittelbaren Handlungsduck spürten, denn wir haben Herausforderungen sowohl als Bereich wie auch als Gesamtbank immer erfolgreich angenommen, sei es im Zuge neuer regulatorischer Anforderungen oder bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Gleichzeitig haben wir aber zu merken begonnen: Die Welt steht nicht still.
Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Die Polykrise als Dauerzustand spüren wir als Rechtsbereich der Förderbank des Bundes direkt. Die Themen, mit denen wir uns als Rechtsbereich beschäftigen müssen, werden immer komplexer. Gleichzeitig nimmt die Dringlichkeit der Anliegen gefühlt stetig zu. Digitale Prozesse und Legal Tech sind für den modernen Rechtsbereich Pflicht, ganz zu schweigen von der umstürzenden Bedeutung generativer künstlicher Intelligenz. Und auch der vielbeschworene Wandel der Arbeitswelt machte sich bei uns bemerkbar – sei es mit Blick auf die Gestaltung innovativer Arbeitsmodelle als auch beim Wettbewerb um die besten Talente. All diese Faktoren wirken sich auf unsere fachlichen Arbeitsinhalte aus und werfen zugleich die Frage auf, wie wir effizient und in einer gesunden Balance arbeiten können.
Gleichzeitig befindet sich die KfW als Gesamtorganisation in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess hin zu der digitalen Transformations- und Förderbank. Hier wollen wir als Rechtsbereich natürlich unseren Beitrag leisten!
Wie seid ihr mit diesen Entwicklungen umgegangen?
Für uns war nach den anfänglichen Diskussionen recht schnell klar, dass „Stehen bleiben“ keine Option für uns als Bereich war. Vielmehr ging es darum, gemeinsam zu Gestalter*innen der eigenen Zukunft zu werden und dabei den ganzen Bereich zu beteiligen. Das war die Geburtsstunde von BReady – wobei der Name offen gestanden erst später in einer Befragung unter allen Beteiligten vergeben wurde…
Welche Hoffnungen hattest Du zu Beginn? Und: Welche Sorgen waren vielleicht auch mit dem Vorhaben verbunden?
Meine beste Hoffnung war, dass BReady zu einer Bewegung wird, die die ganze Kreativität der Kolleg*innen nutzt – ganz egal, welchen fachlichen Hintergrund, welche Hierarchiestufe oder welchen zeitlichen Erfahrungshorizont sie haben. Deshalb war es uns so wichtig, einen partizipativen Ansatz zu wählen, der von Co-Kreation, Lern- und Experimentierlust lebt.
Auch wenn wir die konkreten Inhalte der Veränderung noch nicht genau greifen konnten, war uns die Tragweite des Vorhabens auch zu Beginn bewusst. Die Frage war: „Schaffen wir das parallel zum Tagesgeschäft?“
Und, habt ihr es geschafft?
BReady ist verdammt viel Arbeit – aber sie lohnt sich und macht richtig Spaß. Gemeinsam mit Euch haben wir einen Prozess geschaffen, der unmittelbar sichtbare Ergebnisse produziert. Wir treiben Themen mit hoher Relevanz für unsere Arbeit voran und haben auf dem Weg zur Zukunftsfähigkeit schon viel erreicht. Außerdem verteilen wir die Verantwortung auf viele Schultern: Bei BReady kann jede*r aus dem Bereich mitmachen. In den vergangenen Monaten hat sich von Neueinsteigern bis zu „alten Hasen“ bereits fast die Hälfte des Bereichs aktiv beteiligt: sei es durch die Mitarbeit im Entwicklungskreis oder durch die Mitwirkung in einem Umsetzungsteam.
Im Herbst 2022 habt ihr dann im eigens dafür ins Leben gerufenen Entwicklungskreis gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeiter*innen aller Abteilungen und Teams die Transformationsreise begonnen und Zukunftsambitionen formuliert. Sie beschreiben, in welche Richtung sich der Bereich weiterentwickeln möchte. Dabei nehmt ihr zum Beispiel Euer Leistungsportfolio innerhalb der KfW in den Blick, beschreibt aber auch Aspekte des Recruitings, der Zusammenarbeit, der Kultur und der Führung. Was macht die Ambitionen für Dich erstrebenswert?
Die Ambitionen geben uns Orientierung. Sie ermöglichen mutiges Entscheiden und Handeln – und zwar heute, aber auch mittel- und langfristig. Sie sind offen genug formuliert, um auch im Gehen genug Freiraum zu lassen. Um das zu verdeutlichen: Sie sind damit kein klassisches Zielbild mit festen Metriken und KPIs – sie sind vielmehr ein Nordstern, der vielleicht gar nicht erreichbar im klassischen Sinne ist. Dadurch können wir aus den Erkenntnissen des Prozesses immer wieder neue Schlüsse ziehen und uns kontinuierlich weiterentwickeln.
Infobox: BReady – Weiterentwicklung des Rechtsbereichs der KfW Bankengruppe
- Im Bereich Recht der KfW Bankengruppe arbeiten rund 100 Mitarbeiter*innen in drei Abteilungen und einer Stabsstelle
- Schwerpunkte sind: Kreditrecht, komplexe internationale Finanzierungen und Restrukturierungen, M&A, Kapitalmarkt, Derivate, Regulierung, IT, Datenschutz, Compliance und öffentliches Wirtschaftsrecht (insbes. Beihilfe, Vergabe)
- BReady („BR“ ist das KfW-interne Kürzel für den Rechtsbereich) startete 2022 mit mehreren Workshops, in denen ein multi-hierarchisches und bereichsweit besetzter Entwicklungskreis die Ausgangslage analysierte, Ambitionen für die Zukunft formulierte und erste Maßnahmen für die Umsetzung definierte
- Im Januar 2023 starteten vier selbstorganisierte Umsetzungsteams in die Umsetzung und bearbeiteten dabei die Themen „Skill-Differenzierung“, „Internes Wissensmanagement“, „crossfunktionale Zusammenarbeit“ und „Prozessoptimierung“
- Seit Herbst 2023 läuft die zweite Etappe – mit neuen Maßnahmen sowie alten und neuen Beteiligten
- Kontinuierliche Kommunikation in den Bereich schafft Transparenz über Fortschritte, Hürden und Learnings – zum Beispiel durch interaktive Ergebnismessen oder Nutzer*innen-Workshops und -Interviews im Rahmen der Maßnahmenumsetzung
Um Euch den Ambitionen anzunähern, definiert ihr für kurze Halbjahresetappen konkrete Maßnahmen. An deren Umsetzung kann jede*r mitmachen. Die Maßnahmen reichen von der Bedeutung Künstlicher Intelligenz für Eure Arbeit über die Prozessoptimierung bis hin zur crossfunktionalen Zusammenarbeit im Bereich. Fernab der konkreten Ergebnisse: Was macht die Arbeit in den Umsetzungsteams aus Deiner Sicht besonders?
Wir arbeiten in den Umsetzungsteams so, wie es vielleicht andere als „agil“ beschreiben würden: Die Mitarbeit im Umsetzungsteam ist freiwillig. Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven arbeiten hier nach der Idee der Selbstorganisation zusammen und lernen im Gehen. Wir haben für jedes Umsetzungsteam einen festen Rahmen gesteckt – die sogenannte Definition of Done. Diese beschreibt Abnahmekriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Maßnahme als abgeschlossen betrachtet werden kann. Darüber hinaus haben die Umsetzungsteams maximale Freiheit in der Art und Weise, wie sie zu dieser Definition of Done kommen.
Außerdem versuchen wir, klassische Hierarchien so weit wie möglich außen vor zu lassen: Jede*r kann sich mit den eigenen Stärken, Potenzialen und Perspektiven einbringen. Die Mitarbeit im Umsetzungsteam ist also eine tolle Entwicklungsmöglichkeit und auch ein Signal: Ich möchte an der Zukunft des Bereichs mitarbeiten!
Und: Das Arbeiten entlang ganz konkreter Themen in kurzen Etappen ermöglicht uns, Erreichtes zu feiern – das Erleben von Selbstwirksamkeit setzt unglaubliches Potenzial frei.
Im Sommer habt ihr die Ergebnisse der ersten Etappe in zwei Bereichsveranstaltungen vorgestellt. Wie war die Resonanz auf die Ergebnisse?
Die Resonanz im Bereich war super! Eine konkrete Rückmeldung von jemandem, der noch nicht aktiv beteiligt war, die uns bestärkt hat, war zum Beispiel: „Der Prozess ist echt sinnvoll, weil ihr wirklich was bewegt!“ Eine tolle Bestätigung ist auch, dass sich für die zweite Etappe viele neue Gesichter gefunden haben, die ebenfalls an der Umsetzung mitwirken wollen.
Auch andere KfW-Bereiche reagieren neugierig auf das, was wir da tun. BReady wird von vielen als beispielgebend angesehen und wertgeschätzt.
Du hast bereits Prinzipien wie Co-Kreation und Experimentierlust angesprochen – übrigens zwei ganz zentrale covolution-Werte… Wieso sind diese Punkte so wichtig?
Die Arbeit an der nachhaltigen Zukunftsfähigkeit unseres Bereichs ist eine gemeinsame Aufgabe – und nur durch das co-kreative Arbeiten kommen wir voran. An vielen Stellen arbeiten durch BReady Menschen, die sich zwar kennen, aber im Arbeitsalltag nicht intensiv zusammenarbeiten, gemeinsam an der Zukunft des Bereichs. Sei es im Entwicklungskreis, der alle Bereiche und Hierarchien abdeckt, oder in den Umsetzungsteams, in denen Menschen einzelne Transformationsthemen vorantreiben. Überall sehe ich viel Freude, noch mehr Stolz auf das persönlich und gemeinsam Erreichte sowie aktiv gelebte Verantwortungsübernahme für das, was im Bereich passiert. Das hätte ein Prozess, der allein von uns Führungskräften im stillen Kämmerlein entworfen und dann verkündet worden wäre, niemals geschafft.
Was macht ein solcher Prozess mit Euch als Bereich?
Kurz gesagt: Wir transformieren uns schon durch den Prozess. BReady ermöglicht uns die gemeinsame Arbeit an Zukunftsthemen – und zwar durch neue Formen der Zusammenarbeit. Wir haben im Entwicklungskreis zum Beispiel mit dem Konsent-Verfahren und dem systemischen Konsensieren neue Entscheidungsverfahren verprobt. Anstatt stundenlang nach der besten Lösung zu suchen, haben wir uns für die Option entschieden, die „gut und sicher genug ist“, um sie auf den Weg zu bringen. Diesen Ansatz wenden Kolleg*innen mittlerweile gerne auch in anderen Kontexten an.
Insgesamt hat sich auch die Qualität des Dialogs im Bereich nochmal spürbar entwickelt.
Wie passt das zu einem Rechtsbereich einer Förderbank?
Man könnte meinen, dass das schwierig sein könnte. Aber das stimmt nur bedingt: Die KfW ist in den vergangenen Jahren schon viele Schritte in Richtung solcher Zusammenarbeits- und Lösungsmodelle gegangen und wird als digitale Transformations- und Förderbank dadurch anpassungsfähiger, effizienter und wirksamer. Und auch im Rechtsbereich kann diese Logik Sinn ergeben. Unser eigener Perfektionsanspruch ist bei vielen komplexen Rechtsfragen natürlich angemessen und oft notwendig. An anderen Stellen hilft es aber auch, mit dem „Unperfekten“ rauszugehen, Feedback einzuholen und daraus zu lernen – vor allem im Kontext von Management-, Digitalisierungs- und Zusammenarbeitsthemen. Die Erfahrung, dass die Welt dort nicht untergeht, wenn etwas nicht perfekt ist, muss man erstmal machen – und bei BReady sehen wir gerade, dass Unperfektes hier sogar gut sein kann! Von diesen Erfahrungen profitieren wir mittelbar auch, wenn es um neue Rechtsthemen geht, zum Beispiel erste Schritte im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Hier helfen die Erfahrungen uns, frühzeitig in den Diskurs einzusteigen und schnell einen Rahmen für das Haus zu setzen, der das Wichtigste abdeckt – und den wir dann kontinuierlich verbessern.
Was hast Du in den vergangenen zwei Jahren gelernt?
Wo soll ich anfangen? Ich lerne im Prozess permanent. Ich habe gelernt, dass die Menschen bei uns im Rechtsbereich bereit sind, mutig Zukunft zu gestalten. Ich merke dabei immer wieder: Mitmachen entfaltet mehr Wirkung als irgendwelche Vorgaben. In meiner Karriere habe ich auch solche Prozesse gesteuert – und stand dann vorne und habe mich gefragt: „Wie weckst Du jetzt wirkliche Begeisterung für die Veränderung?“ Diese Frage beantwortet sich bei BReady jetzt viel leichter…
Gab es auch etwas, was Dich überrascht hat?
Die Kolleg*innen in BR hatten schon immer wahnsinnig viel drauf und sind einfach auch tolle Menschen. Was mir im Prozess aber nochmal deutlich bewusster geworden ist, ist dass sie alle über unfassbare weitere Kompetenzen verfügen, die im klassischen Arbeitsalltag selten sichtbar werden. Diese Stärken zusammenzubringen, birgt ganz viel Zukunfts- und Innovationspotenzial.
BReady wurde als bestes Inhouse-Projekt beim „Best of Legal Award 2023“ der WirtschaftsWoche ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Ich bin wirklich stolz darauf, dass BReady damit eine Anerkennung erhält, die der Prozess und alle Beteiligten verdienen!
Die Auszeichnung verdeutlicht, dass ihr mit Eurem Ansatz wirklich innovative Wege geht. Was würdest Du anderen raten, die ihren Bereich oder ihre Organisation weiterentwickeln wollen?
Zunächst: Dass sie sich bei covolution melden. 😄
Darüber hinaus: Habt den Mut, Eure Zukunft aktiv zu gestalten und investiert die Zeit – sie wird sich lohnen! Setzt dabei auf kleine, machbare Schritte und fangt an, Euch mit der eigenen Zukunft zu beschäftigen. Die Entwicklungen sind schier zu schnell, um sie einfach passieren zu lassen.
BReady ist ein kontinuierlicher Prozess der Weiterentwicklung. Was wünschst Du dem Bereich für den weiteren Weg?
Ich wünsche uns allen den Mut, die Kraft und die Ausdauer, unser Schicksal dauerhaft in die eigene Hand zu nehmen – denn nur so werden wir erfolgreich sein. Klingt platt, ist aber so. Und macht darüber hinaus jede Menge Spaß!
Lieber Karsten, vielen Dank für das Gespräch!
Über Dr. Karsten Hardraht
Dr. Karsten Hardraht ist seit 2016 Chefsyndikus und Leiter des Bereichs Recht der KfW. Zusammen mit rund 100 Kolleginnen und Kollegen in der KfW sowie 25 weiteren in KfW-Tochterunternehmen ist er verantwortlich für die Steuerung der Rechtsrisiken des KfW-Konzerns. Außer im Rechtsbereich war er auch im Beteiligungsmanagement, dem Vorstandsstab und der regulatorischen Compliance der KfW tätig. Zum Unternehmen kam er 2006 aus einer Wirtschaftskanzlei.