Wie Innovation Labs zu Treibern wirkungsvoller Veränderung werden
Erkenntnisse aus unserem Workshop bei der XING New Work Experience 2017.
Diesen Beitrag haben Julia und Sören zusammen mit Jens Bergstein von Kienbaum und Johannes Kleske von Third Wave geschrieben.
Viele klassisch aufgestellte Unternehmen setzen auf Innovation durch Digital Labs, um ihre digitale Transformation voranzubringen. Abseits gewohnter Strukturen und Prozesse sollen innovative Produkte und neue Formen der Zusammenarbeit entstehen. Die Hoffnung: Was im Lab reift, wird den Alltag im Konzern irgendwann von Grund auf revolutionieren — digitale Transformation von innen. Im Prinzip eine gute Idee, allerdings sind die meisten Labs eher als kommunikative Leuchttürme konzipiert, denn als Treiber einer systematischen Vorbereitung auf eine digitale Welt. Genau hier liegt aber ihr Potenzial.
Am 30. März 2017 haben wir einen Workshop im Rahmen der XING New Work Experience mit ca. 70 Teilnehmenden durchgeführt. Ziel des Workshops war es, gemeinsam einen Lab-Prototypen zu entwickeln, der in einer digitalen Welt erfolgreich wirken kann. Als Hilfestellung diente der eigens für den Workshop entwickelte Canvas, der eine zielorientierte Ausarbeitung entlang folgender fünf Dimensionen ermöglichte:
- Auftrag: Was ist der Auftrag von Innovation Labs mit Blick auf die digitale Transformation?
- Aktivitäten: Was müssen Innovation Labs tun, um ihren Auftrag zu erfüllen?
- Wirksamkeit: Wie können Innovation Labs von Beginn an in ihre Mutterorganisation wirken?
- Regeln: Welche ungeschriebenen Konzern-Regeln müssen Labs beachten, welche brechen?
- Ressourcen: Wen und was brauchen Innovation Labs, um ihren Auftrag zu erfüllen?
Die zentralen Ergebnisse des Workshops haben wir nachfolgend in zehn Thesen zusammengefasst.
Dimension 1: Auftrag des Innovation Labs
1. Klarer Auftrag ist entscheidend für die Wirksamkeit des Labs
Ein klarer Auftrag hilft bei der Fokussierung, aber auch beim Zusammenspiel mit der Mutterorganisation und externen Partnern. Das bedeutet: Finger weg von Allgemeinplätzen und Ansprüchen à la „Wir wollen die Kultur der Organisation verändern“, wenn man hierzu weder das Commitment noch die Mittel hat. Innovation Labs mit unklaren oder zu breit definierten Aufträgen haben es schwer, für andere spürbar wirksam zu sein, weil sie dazu neigen, sich zu verzetteln. Deswegen empfehlen wir eine Checkliste mit klar überprüfbaren Messkriterien für den Auftrag zu erstellen. Neben strategischer Relevanz und organisatorischer Governance sollten auch Mittelausstattung, Methodenfokus, Kundenverständnis und Ergebnisverwendung Teil einer Checkliste sein.
2. Fokussierung auf den Kunden und seine Bedürfnisse
Etablierte Organisationen haben aufgrund von gewachsenen Strukturen, Prozessen und kulturellen Mustern oft den Blick auf den Kunden verloren. Innovation Labs können sich dagegen wieder neu konsequent „um den Kunden organisieren“. Von den Erkenntnissen, die sie dabei gewinnen, kann dann auch die Mutterorganisation profitieren. Sie helfen dabei, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und unnötige Strukturen, Prozesse und Regeln abzubauen.
3. Schaffen von geschützten Räumen für das Experimentieren
Der Reiz von Innovation Labs liegt darin, dass sie es ermöglichen, Dinge anders zu machen. Dafür schaffen sie geschützte Räume, in denen Neues ausprobiert werden kann. Wichtig ist dabei die Frage, wer in diesen Räumen experimentiert: Sind es Teams und Einheiten aus der Mutterorganisation? Dann können die Experimente im Erfolgsfall in den Arbeitsalltag übernommen werden. Testen jedoch vor allem Externe in diesen Räumen, so werden die Ergebnisse in der Mutterorganisation kaum auf fruchtbaren Boden fallen.
Dimension 2: Aktivitäten des Innovation Labs
4. Auch Social Innovations entwickeln und testen
Innovation Labs konzentrieren sich häufig darauf, neue Produkte zu entwickeln und zu testen. Dabei treten sie oft in Konkurrenz zu Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Besser wäre es, sie würden gemeinsam mit den F&E-Abteilungen andere Ansätze und Arbeitsweisen testen. Ihren Wirkungskreis können Innovation Labs zusätzlich erweitern, indem sie sich nicht nur mit Produkt-Innovation befassen, sondern auch mit sozialen Innovationen. gewissermaßen als Fährtensucher für neue Formen von Zusammenarbeit sowie für organisationale Weiterentwicklung und Kulturstiftung.
Dimension 3: Wirksamkeit des Innovation Labs in die Mutterorganisation
5. Kooperatives Mindset auch im Umgang mit der Mutter-Organisation
Innovation Lab sollten sich nicht zu einer „Blase“ entwickeln, in der sich gleichgesinnte Vorreiter gegenseitig in ihrem Tun bestätigen. Das führt zu einer größeren Distanz zur Mutterorganisation, aber nicht zu gemeinsamer Entwicklung und mehr Innovationskraft. Labs leisten dann einen echten Mehrwert für die Mutter, wenn sie diese in ihre Aktivitäten einbinden. Dafür braucht es ein auf Kooperation und gegenseitige Wertschätzung gerichtetes Mindset — statt ein „Wir sind einfach besser als die Anderen“.
6. Die Mutter-Organisation als Kunden ernst nehmen
Kunden sind für Innovation Labs zentral. Allerdings ist der Kundenkreis in vielen Fällen gar nicht so klar: Endkunden, lokale Öffentlichkeiten, potentielle Bewerber oder Kooperationspartner? Die meisten Labs nehmen sie alle in den Blick und versuchen den zum Teil sehr unterschiedlichen Bedarfen bestmöglich gerecht zu werden. Eine Kundengruppe wird dabei gern übersehen: Kollegen und Teams aus der eigenen Mutter-Organisation. Eine vertane Chance. Wer sich mit den Bedarfen des eigenen Business beschäftigt, kann Ressourcen mobilisieren und Bewegung erzeugen, von denen andere Labs nur träumen.
7. Erfahrungs- und Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern aus Lab und Mutterorganisation fördern
Entscheidend ist, was nach dem Innovation Lab geschieht. Was passiert z.B. mit Menschen, die im Lab projektweise gearbeitet haben und mit ihren Erlebnissen zurück in die Linien-Organisation kommen? Wie werden Erkenntnisse grundsätzlich in die Mutter-Organisation getragen? Ein pragmatischer Ansatz hierfür kann ein Job-Rotation-System zwischen Mutter und Lab sein. So entstehen Verbindungen, bei denen Einzelne voneinander lernen. Sie sammeln Erfahrungen und tragen ihre Eindrücke in die Organisation bzw. in das Lab. Das ist am Ende wirksamer als eine große Kampagne.
Dimension 4: Regeln, die es zu beachten und zu brechen gilt
8. Offenes Hinterfragen statt Ablehnung aus Prinzip
Die Idee von Innovation Labs ist es, Dinge bewusst anders zu machen. Dafür müssen bestehende Regeln offen hinterfragt werden. Das bedeutet nicht, dass alles, was aus der Mutter-Organisation kommt, aus Prinzip abzulehnen ist. Kritisch wird es, wenn Labs Werte missachten, über die sich die Mutter-Organisation definiert. Das ist kein No Go, aber es braucht Empathie und Dialog. Beides kommt oft zu kurz. Eine Sache, für die Labs auf jeden Fall kämpfen sollten, ist die Ergebnisoffenheit in ihrer Arbeit. Denn: Nur so macht Experimentieren Sinn, nur so kann tatsächlich Neues entstehen — auch wenn es Teile der Mutterorganisation kannibalisiert.
Dimension 5: Ressourcen, die es braucht
9. Zeit als erfolgskritisches Momentum
Innovation Labs brauchen Zeit. Zeit zum Ausprobieren, Zeit zum „einfach mal laufen lassen“, um Dinge in ihrer langfristigen Entwicklung zu beobachten. Und Zeit zur Reflexion, damit aus Erlebnissen Erkenntnisse reifen können. Vielleicht braucht es auch jemanden, der in dieser Reflexion bewusst die Rolle des Bewahrers einnimmt: der im Blick hat, was die Mutter-Organisation ausmacht und als Übersetzer und Brückenbauer dafür sorgt, dass Abgrenzung nicht zum Prinzip wird. Schließlich — und das kommt oft zu kurz — brauchen Labs das Commitment des Top Managements. Nicht nur als Bekenntnis in der Eröffnungsrede, sondern täglich und in Taten erlebbar.
10. Aufbau eines Öko-Systems: Interaktion mit anderen Akteuren
Innovation Labs leben von den Impulsen von außen. Deshalb dürfen sie keine isolierten Zellen sein, sondern müssen andere Akteure in ihr Netzwerk aufnehmen: Kunden, Partner, Konkurrenten, Fachfremde. Damit werden sie zum Testballon für neues Arbeiten über klassische Organisationsgrenzen hinweg und holen neue Impulse ein. Wichtig hierbei: Das Netzwerk muss so gestaltet sein, dass alle Mitglieder davon profitieren — und nicht nur das Innovation Lab selbst.
Gemeinsam mit Johannes haben wir das Whitepaper “Warum die Tempel der Digitalisierung oft scheitern“ geschrieben. Das Paper beschreibt die Probleme der Digitalen Transformation in Deutschland am Beispiel von Innovation Labs und gibt Impulse, wie diese zum Treiber der Digitalisierung in Unternehmen werden können.